Das Kontorhaus, in direkter Nachbarschaft zu historisch wertvollen Bauten und Industrieanlagen am Jödebrunnen gelegen, wurde 1899 als Büro einer weltweit agierenden Holzhandlung an der ehemaligen Ringgleisbahn am Westbahnhof errichtet. Am Westbahnhof entwickelte sich zu dieser Zeit das wichtigste Industriezentrum in Braunschweig, geprägt durch die Ansiedlung zahlreicher Betriebe, die Entstehung neuer Arbeiterviertel, die Gründung zahlreicher Hinterhofwerkstätten sowie die Gestaltung des sozialen Umfeldes.

Heute bietet sich deshalb wohl kaum ein Ort mehr an, um die Themen Geschichte, Wissenschaft und Technik und ihre Bedeutung für die Stadtgeschichte Braunschweigs erlebbar zu machen – das Kontorhaus soll nicht nur ein weiterer musealer Standort in Braunschweig werden – es soll gleichzeitig Ausgangspunkt für Exkursionen, Ort für wissenschaftliche Forschung und Veranstaltungsort für Tagungen oder sogar privat für bis zu 20 Personen werden.

Für wen wurde dieses Gebäude errichtet? Wie wurde es genutzt?

Das Bauwerk wurde für den Unternehmer Friedrich Brachvogel nach Plänen des Architekten und Maurermeisters F. Schönemann errichtet.

Die 1866 mit einem Geschäft in der Braunschweiger Beckenwerkerstraße belegte Firma Fr. Brachvogel siedelte 1886 zur Blumenstraße um. Ausschlaggebend für den Standortwechsel war die Lage des neuen Grundstücks unmittelbar am Westbahnhof der ebenfalls 1886 angelegten Ringbahn. Ein Briefkopf von 1897 enthält Hinweise auf den Geschäftsbereich: „Import nordischer, galizischer, russischer und amerikanischer Hölzer“. Desweiteren unterhielt die Firma Holzlager in Lübeck und in Wismar. Später wurde die Firma um ein Lagerhausgeschäft, die Speicherei, erweitert. Im Briefkopf der Firma von 1932 wird besonders darauf verwiesen, dass das Firmengelände durch vier eigene Gleise mit dem Westbahnhof verbunden war und damit, über die Ringbahn, auch mit dem überregionalen Bahnnetz. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Firma aufgegeben.

Das Kontorhaus ließ Brachvogel in der Nähe seines weitläufigen Betriebes errichten. Um das Haus herum war sorgfältig ein kleiner Garten angelegt. Im Hochparterre befindet sich ein einziger Raum, ehemals das ca. 20 qm große Chefbüro. Vom Schreibtisch aus fiel der Blick auf das unmittelbar angrenzend gelegene Wasserbecken des Jödebrunnens, an der gegenüberliegenden Seite schloss sich die Feldmark Broitzems an: ein ruhiger und geradezu idyllischer Arbeitsplatz! Ein Foto aus der Zeit kurz nach 1900 zeigt uns diesen Raum: reich ausgemalt und opulent mit Kamin, Dielenboden, Wandpaneelen und Holzbalkendecke ausgestattet. Ebenfalls zeittypisch zeigt sich die weitere Ausstattung mit Kronleuchter, reich verziertem Mobiliar und gepolstertem Armlehnensessel.

Bis auf die Möblierung blieben die wertvollen Gebäude- und Ausstattungselemente erhalten. Es wird vermutet, dass sich auch die Raumausmalung, derzeit abgedeckt durch den weißen Wandanstrich, erhalten hat und freigelegt werden kann. Weitere Bilder des Objekts finden Sie in unserer Galerie.